Montagsdemonstration(en)
Die Montagsdemonstrationen waren ein wichtiger Bestandteil der Friedlichen Revolution in der DDR. Zusammen mit der Fluchtbewegung trugen sie maßgeblich zum Zusammenbruch des SED-Regimes und zur Überwindung der deutschen Teilung bei. Im engeren Sinne steht der Begriff für die Massenaufmärsche, die zwischen September 1989 und März 1990 in Leipzig und anderen ostdeutschen Städten stattfanden. Unter dem Motto „Wir sind das Volk“ gingen dort zunächst Hunderte, später Tausende von Menschen auf die Straße, um für eine demokratische Neuordnung in der DDR zu protestieren. Standen zunächst die Forderung nach Reisefreiheit und Abschaffung des durch den Staatssicherheitsdienst verkörperten repressiven Machtapparats im Mittelpunkt, trat nach der Grenzöffnung und dem sich abzeichnenden Ende der SED-Herrschaft für einen Großteil der Demonstranten die baldige Wiedergewinnung der Deutschen Einheit als Ziel nach vorne („Wir sind ein Volk!“).
Die Montagsdemonstrationen knüpften an die Friedensgebete an, die auf Initiative des Diakons Günter Johannsen seit September 1982 regelmäßig montagsabends in der Leipziger Nikolaikirche abgehalten wurden. Zum ersten Mal offizielle Verwendung fand der Begriff für den am 4. September 1989 stattfindenden Leipziger Aufmarsch, dem sich mehr als 1.000 Teilnehmer anschlossen. Obwohl die Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgingen und Dutzende von ihnen willkürlich festnahmen, erfuhren die wöchentlichen Versammlungen auch dank der Berichterstattung in den Westmedien raschen Zulauf und breiteten sich in andere Städte aus. Zum Schlüsselereignis und Wendepunkt der Massenbewegung geriet die Demonstration am 9. Oktober, bei der sich in Leipzig rund 120.000 Menschen zusammenfanden. Vor dem Hintergrund der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking wenige Monate zuvor appellierten die vom Dirigenten Kurt Masur angeführten Initiatoren, unter denen sich auch drei SED-Funktionäre befanden, ausdrücklich an das Prinzip der Gewaltfreiheit. Das trug mit dazu bei, dass die Staatsmacht auf ein Einschreiten diesmal verzichtete und die massiv aufgebotenen Einsatzgruppen aus Polizei und Militär zurückzog. Damit hatte die SED vor der Protestbewegung faktisch kapituliert.
Auf dem Höhepunkt der Demonstrationen gingen in Leipzig am 23. Oktober 1989 etwa 250.000, am 30. Oktober 300.000 und am 6. November sogar 500.000 Menschen auf die Straße. Zwei Tage zuvor, am 4. November, war es auf dem Berliner Alexanderplatz mit geschätzt bis zu 700.000 Teilnehmern zur größten Massenansammlung in der DDR gekommen. Die Protestmärsche endeten mit der ersten (und letzten) freien Volkskammerwahl im März 1990, als die Wiedervereinigung bereits am Horizont stand.
Die Tradition der Montagsdemonstrationen wurde in Ostdeutschland später aus anderen Anlässen wieder aufgegriffen, etwa bei den Protesten gegen die von der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder eingeleiteten Sozial- und Arbeitsmarkreformen („Hartz IV“) 2004 oder bei den 2014 einsetzenden „Montagsspaziergängen“ der islamfeindlichen Pegida-Bewegung (das Kürzel steht für „Patriotische Bewegung gegen die Islamisierung des Abendlandes“). Die Bezugnahme auf die Protestbewegung im Herbst 1989 und die von ihr verwendete Parole „Wir sind ein Volk!“ haben dabei manche Beobachter als anmaßend kritisiert.
© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)