Ministerpräsident

Ministerpräsident ist die Amtsbezeichnung der Regierungschefs in den deutschen Ländern. Der Begriff verweist darauf, dass diese – anders als auf der Bundesebene, wo beide Funktionen zwischen Bundeskanzler und Bundespräsident getrennt sind – gleichzeitig auch die Funktion des „Staatsoberhauptes“ wahrnehmen. Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen werden deshalb manchmal als „Landesvater“ oder „Landesmutter“ apostrophiert. In den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen verwendet man anstelle des Ministerpräsidenten die in Kommunen übliche Amtsbezeichnung „Bürgermeister“. In Berlin lautet sie offiziell „Regierender Bürgermeister“, in Hamburg „Erster Bürgermeister und Präsident des Senats“ und in Bremen „Präsident des Senats und Bürgermeister“.

Der Titel des Ministerpräsidenten war in der vorparlamentarischen Zeit ab 1848 bereits in Preußen gängig. Der prominenteste Amtsinhaber, Otto von Bismarck, bekleidete das Amt – mit einer kurzen Unterbrechung – von 1862 bis 1890. In den anderen Bundesstaaten trugen die leitenden Minister zum Teil abweichende Bezeichnungen wie etwa „Vorsitzender im Ministerrat“ (Bayern) oder „Präsident des Staatsministeriums“ (Württemberg). Auch in der Weimarer Republik konnte sich der Titel – jetzt unter demokratischen Vorzeichen – nicht überall durchsetzen. Das war mit Ausnahme der Stadtstaaten erst ab 1946 der Fall, als sich die Länder noch vor Entstehung der Bundesrepublik neu konstituierten.

Bevor die Fürstentümer und Königreiche in den Bundesstaaten des Kaiserreiches 1918 verschwanden, hatte es dort eine „doppelköpfige“ Exekutive gegeben – bestehend aus dem Monarchen und dem leitenden Minister. Während man auf der Reichsebene den Kaiser als Staatsoberhaupt durch den Reichspräsidenten ersetzte, lag die Zusammenlegung der Ämter in den Gliedstaaten mit Blick auf deren nichtsouveränen Charakter nahe. Die Einführung eines separaten Staatsoberhauptes wurde weder in der Weimarer Zeit noch nach 1945 irgendwo ernsthaft erwogen.

Im Kaiserreich kam es häufig vor, dass die preußischen Ministerpräsidenten die Funktion des – als Kanzler titulierten – Regierungschefs auf der Reichsebene in Personalunion mitübernahmen. In der Bundesrepublik rührt die Bedeutung des Amtes wiederum daher, dass die Ministerpräsidenten durch die Funktion, die sie im Bundesrat ausüben, häufig auch in der Bundespolitik eine prominente Rolle spielen. Von den neun Bundeskanzlern, die seit 1949 amtierten, waren fünf zuvor Ministerpräsident oder Bürgermeister gewesen. Manche Ministerpräsidenten erreichten sehr lange Amtszeiten, etwa Peter Altmeier (CDU) in Rheinland-Pfalz (1947 bis 1969) oder der spätere → Bundespräsident Johannes Rau (SPD) in Nordrhein-Westfalen (1978 bis 1998)  Der CDU-Politiker Bernhard Vogel hat als bisher einziger Ministerpräsident in zwei Ländern regiert: in Rheinland-Pfalz (1976 bis 1988) und Thüringen (1992 bis 2003)

Im journalistischen Sprachgebrauch wird der Begriff des Ministerpräsidenten zugleich für die nationalen Regierungschefs in anderen Ländern benutzt. Dies ist nicht nur wegen der Verwechselungsgefahr mit dem gleichnamigen Amt in den deutschen Bundesländern misslich, sondern auch deshalb, weil es der landessprachlichen Bezeichnung fast nie entspricht. In Skandinavien lautet sie zum Beispiel Staatsminister, in Italien Präsident des Ministerrats und in den meisten anderen Ländern Premierminister. Die letztgenannte Bezeichnung wird in Deutschland nur in bezug auf Großbritannien und Frankreich korrekt verwendet, obwohl er aus wissenschaftlicher Sicht für alle parlamentarischen Systeme mit doppelköpfiger Exekutive angebracht wäre.

© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)

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